Moderner Sprachgebrauch

schön schreiben – schön sprechen

moderner Sprachgebrauch                    Sprachgebrauch rund ums Down-Syndrom

von Mag. Monika Hallbauer, Mutter von Kati (DS, geb.1996)

Diskriminierende Begriffe sollten unbedingt vermieden werden, obwohl sie teilweise etwas bequemer, weil kürzer sind!

diskriminierend, respektlos
nicht diskriminierend, respektvoll

Mongolismus, mongoloid            Down-Syndrom, Trisomie 21

am Down-Syndrom leiden           hat Down-Syndrom

am Down-Syndrom erkrankt       lebt mit dem Down-Syndrom

Down-Kinder, Down-Syndrom-Kinder          Kinder mit Down-Syndrom
Down-Syndrom-Menschen                             Menschen mit Down-Syndrom

der Behinderte                                                  der Mensch mit Behinderung
geistig behindert                                             Menschen mit Lernschwierigkeiten

Warum die Wahl der Begriffe wichtig ist!

“Mongolismus oder Down-Syndrom – egal, wie ich es nenne! Wichtig ist alleine, wie ich den Menschen behandle!” Schon einmal diesen Standpunkt so oder so ähnlich gehört? Macht durchaus Sinn auf den ersten Blick, oder? Riskieren wir doch einmal einen zweiten:

Wie reagieren Außenstehende auf Menschen mit DS?

Menschen mit DS und deren Dasein wurde in verschiedenen Epochen der Geschichte und in verschiedenen Kulturen sehr unterschiedlich wahrgenommen.
Man hat diese Menschen

  • als Götter verehrt
  • als Objekte des Schreckens gemieden
  • als Objekte der Lächerlichkeit verachtet
  • als Objekte des Mitleids bedauert
  • als Untermenschen misshandelt und ermordet
  • als “ewige” Kinder liebevoll versorgt
  • als Kranke diagnostiziert und therapiert

Man hat sie jedoch nie, wie es der Wunsch jedes Menschen ist:

  • als Individuen in ihrer Persönlichkeit respektiert und akzeptiert
Heute werden Menschen mit DS weniger als abstoßend oder bedrückend gesehen, Begriffe, wie traurig oder bemitleidenswert werden jedoch häufig verwendet. (aus “Down-Syndrom, Was bedeutet das?” herausgegeben vom deutschen DS-Infocenter)

Welchen Einfluss hat Sprache auf die Reaktion der Öffentlichkeit?

Aus Gewohnheit werden oft herkömmliche Sprachbilder unüberlegt verwendet, ohne das verzerrte Bild zu sehen, das sich daraus in der Öffentlichkeit ergibt, und ohne an die Auswirkungen für die Betroffenen zu denken.

Es ist schon richtig, dass die Änderung eines Namens alleine nichts bringt, wenn sie nicht zu einer Änderung der Einstellung führt. Sind Begriffe aber mit unbekanntem, negativem Hintergrund besetzt und transportieren so versteckte Botschaften, beeinflussen sie unbewusst unser Denken und infolge unsere Vorstellung von der Wirklichkeit.

Erst eine Vermeidung negativ besetzter Begriffe gibt den Weg frei, “das zu sehen, was ist”, sodass

  • Vorurteile besser abgebaut werden können und somit die Bedürfnisse und Leistungen von Menschen mit DS besser erkannt werden,
  • Menschen mit DS eine andere gesellschaftliche Akzeptanz erreichen und Ernst genommen werden: selbstbewusst – selbstbestimmt – selbstverständlich!
  • Behinderung und das Leben mit einer solchen als eine eigenständige Lebensgestaltung, die ihren Wert aus sich selbst gewinnt, gesehen werden kann
Durchaus möglich, dass auch Betroffene selbst die Ansicht vertreten, es sei egal, welche Begriffe verwendet werden, da sie als Teil der Gesellschaft selbst keine bewussten  “Antennen” für diese versteckten Botschaften haben. Für sie haben Begriffe ja auch tatsächlich einen weniger zentralen Stellenwert, da sie neben der Sprache auch andere Wege haben, zu erkennen, was Leben mit DS bedeuten kann. Aber auch Betroffene sind nicht davor gefeit, dass ihr Blick getrübt ist. Ich kann dann nicht mehr erkennen, “was tatsächlich ist”, wenn ich mir meiner eigenen Gefühle nicht bewusst bin.
Ziel ist es also, durch eine klare Sicht das Verständnis zwischen Betroffenen und Nichtbetroffenen zu erhöhen. Dass dies für beide Seiten gilt, ist klar. Oft reagieren Betroffene oder Angehörige sehr emotional auf diskriminierenden Sprachgebrauch.  Diese Empfindlichkeit gegenüber als verletzend empfundene Ausdrucksweisen, die mitunter zu emotionalen Reaktionen führt, wird verständlich, wenn man erkennt, was da bewusst bzw. unbewusst abläuft:
  • bewusst: Eltern kennen den Hintergrund der Begriffe (im Gegensatz zu ihrem vis-à-vis),
  • unbewusst: Erfahrungen mit Außenstehenden, sei es eine abwertende Haltung, ein mitleidiger Blick oder ein entsetztes Hinstarren, sowie das oft vergebliche Bemühen um Akzeptanz und Toleranz, haben Spuren hinterlassen und einen Leidensdruck erzeugt. (= “Leiden an den Reaktionen der Umwelt”)

Trotzdem erschwert der falsche Ton die Annäherung, verkrampft ein bereits verkrampftes Verhältnis noch mehr, führt zum Rückzug von Nichtbetroffenen und rückt eine Normalisierung in weite Ferne.

Analyse der in der Gegenüberstellung verwendeten Begriffe:

Mongolismus : Down-Syndrom, Trisomie 21

Dr. Langdon Down, englischer Arzt und Leiter eines Heimes für Menschen mit geistiger Behinderung, erkannte die Gemeinsamkeiten mancher seiner Patienten und beschrieb 1866 die “klassischen Merkmale” des Syndroms. Dabei verglich er das äußerliche Erscheinungsbild von Menschen mit DS mit jenem des mongolischen Volksstammes und prägte so den Begriff “mongoloide Idiotie”. Darwins Evolutionstheorie folgend ging er davon aus, dass es sich dabei um eine Rückverwandlung in den primitiveren Rassentyp der mongolischen Rasse handle. Infolge wurden Downs Klassifizierung immer wieder missbräuchlich interpretiert, Menschen mit DS wurden im Grenzbereich zwischen tierischer und menschlicher Existenz angesiedelt und ihnen wurde der Stempel des “nicht voll Mensch geworden Seins” aufgedrückt.

Dass der Begriff “Mongolismus” derzeit negativ besetzt ist, kann auch daraus abgeleitet werden, dass Jugendliche mitunter Außenseiter, die nicht ins Gruppenbild passen, als “Mongo” beschimpfen. Diese Ausdrucksweise ist zwar nicht reflektiert, spiegelt aber doch eine gewisse gesellschaftliche Wertehaltung wider, die ihnen von Erwachsenen vorgelebt wird.

Auf den Begriff “Mongolismus” sollte also aus folgenden Gründen unbedingt verzichtet werden:

  • Die rassische Folgerung ist völlig falsch;
  • Bereits 1965 beantragte die Volksrepublik Mongolei bei einer Sitzung der WHO anlässlich der Verwendung des Begriffes “Mongolismus” durch deren Präsidenten, den Namen der mongolischen Rasse nicht mehr in diesem Zusammenhang zu benutzen. Der Antrag wurde einstimmig von allen Mitgliedsländern angenommen.
  • Der Begriff ist beleidigend und negativ besetzt und gefährdet die gesellschaftliche Akzeptanz von Menschen mit DS.

Heute werden die Begriffe Down-Syndrom (häufiger) und Trisomie-21 (seltener) benutzt.

Trisomie-21 beleuchtet den
genetischen Hintergrund und wird deshalb eher von all jenen verwendet,
die einen biologischen Bezug zu diesem Thema suchen. Der Begriff Down-Syndrom hat sich weltweit bis auf wenige Ausnahmen durchgesetzt. Die Namensgebung ist ein kleines Denkmal an den englischen Arzt Dr. Langdon Down, der neben der Beschreibung des Syndroms auch damals schon auf die Lernfähigkeit der Kinder hingewiesen hat.

am Down-Syndrom leiden = hat Down-Syndrom

am Down-Syndrom erkrankt = lebt mit dem Down-Syndrom

 

DS ist keine Krankheit und verursacht auch keine Schmerzen, die den Ausdruck “leiden” rechtfertigen würden. Obwohl der eine oder andere zumindest gelegentlich seinen Zustand als deprimierend empfindet, “leiden” Menschen mit DS nicht generell unter ihrer Behinderung.

 

Der Grund, warum es zu solchen Aussagen kommt, liegt darin, dass Außenstehende projizieren: “Hätte ich DS, würde ich darunter leiden!” Auch die Berichterstattung zu Behindertenthemen in den Medien erfolgt durch Nichtbetroffene und spiegelt somit in erst Linie deren Vorstellungen wider. Dabei werden Menschen mit Behinderung als hilfsbedürftige Wesen dargestellt, die als ausschließlich Nehmender außerhalb jeglicher sozialer Verpflichtung stehen, sodass beim Zuseher Mitleid ausgelöst wird. Vom scheinbaren Elend einer Behinderung fühlen sich viele im direkten Zusammentreffen peinlich berührt und reagieren mit Wegschauen, mitleidigen oder entsetzten Blicken. Da allerdings die Beobachter nicht in der Haut der Betroffenen stecken, trifft ihre Schlussfolgerung nur in den seltensten Fällen zu.

 

Denn – Menschen mit DS leiden nicht am DS, sondern an den Reaktionen ihrer Umwelt!

 

Selbstverständlich hat in diesem Bereich in den letzten Jahren bereits eine positive Entwicklung in der Darstellung behinderter Menschen in den Medien stattgefunden, die auch langsam zu einem Umdenken führt.

DS-Menschen = Menschen mit DS

Behinderter  = Menschen mit Behinderung

Die Argumentation, warum man diese als diskriminierend empfundenen Formulierungen aufgeben sollte, obwohl sie etwas bequemer weil kürzer sind, ist gleich:

Down-Syndrom bzw. Behinderung ist nur ein Aspekt dieser Menschen bzw. Kinder. Sie werden nicht davon definiert. Die Bezeichnung “Behinderter” reduziert Menschen aber auf diese eine körperliche Eigenart, nämlich die Behinderung, die zwar vorhanden ist, aber nicht als konstitutives Merkmal zu betrachten ist. Ein Begriff, der nicht den Menschen ins Zentrum aller Überlegungen stellt, und so keinen Platz für Namen, individuelle Geschichten und eigene Lebensumstände lässt, verankert eine negative Einstellung in den Köpfen aller, da er einer defizitorientierten, medizinischen Sichtweise folgt .

geistig behindert = Menschen mit Lernschwierigkeiten

Bezeichnungen für Menschen, die nicht den allgemein gültigen Normen entsprechen, waren früher z.B. “Irre, Idioten, Geisteskranke oder Schwachsinnige”. Sie wurden vom Begriff “geistig behindert” abgelöst. Betroffene empfinden aber auch diesen Begriff als abwertend, da er ebenfalls mit “dumm” und “nicht lernfähig” gleichgesetzt wird. Vielfach behindern aber in erster Linie komplizierte Texte oder falsche Lehrmethoden Menschen mit Lernschwierigkeiten, sodass sie durch diese Barrieren z.B. den Sinn einer Aussage nicht mehr verstehen und so auch ihre intellektuellen Fähigkeiten nicht mehr nutzen können.

Wenn die Sprache nicht stimmt, ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist. (Konfuzius)