Stillen

Das Stillen eines Babys mit Down-Syndrom

Hier finden Sie ein Interview mit einer Logopädin, einen Erfahrungsbericht einer Mutter sowie Buchtipps zum Thema Stillen eines Babys mit Down-Syndrom:  

Stillen: ein Interview mit Dipl. Logopädin Karin Pfaller

Hand in Hand: Frau Pfaller, wie wichtig ist das Stillen für Kinder mit Down-Syndrom?

Fr. Pfaller: Für alle Kinder ist das Stillen hinsichtlich der physischen und psychischen Reifung von großer Bedeutung. Bei Kindern mit Down-Syndrom bekommt das Stillen aber einen besonderen Stellen wert. Durch das starke Saugen an der Brust wird besonders die Muskulatur von Zunge und Mund gekräftigt. Allein beim Schlucken sind 50 Paare von Gesichtsmuskeln beteiligt. Daher fördert das Saugen das Zusammenspiel aller Gesichtsmuskeln in gesunder Weise.

Hand in Hand: Es gibt aber oft große Probleme beim Stillen. Was kann man da tun?

Fr. Pfaller: Das Stillen kann am Anfang wirklich sehr mühsam sein. Man sollte aber auf keinen Fall zu schnell aufgeben! Sehr oft wird der Mundschluss an der Brust schneller gelernt als an der Flasche, denn der Flaschensauger ist meist zu groß und zu hart. Man kann dem Baby beim Saugen helfen, indem man mit leichtem Druck und Streicheln am Mundboden – unter dem Kinn – nach oben bzw. nach hinten den Saugrhythmus unterstützt. Wenn das Baby zu schwach oder gar nicht saugt, sollte man das Saugen im Mund anbahnen. Dazu drückt man einen Tropfen Milch auf den Zeige- oder Mittelfinger und bringt ihn dann auf die Zunge des Kindes. Man bewegt den Finger mit leichtem Druck von hinten nach vorne. Weiters unterstützt man den Mundschluss indem man den Kopf des Babys leicht nach vorne beugt. So erhält man eine Saugreaktion. Erst dann soll man das Kind an der Brust saugen lassen. Die Saugreaktion kann mit dieser Übung auch zwischen den Mahlzeiten, wenn das Kind wach ist, gefördert werden.

Hand in Hand: Was kann man tun, wenn man das Kind nicht gleich oder überhaupt nicht stillen kann?

Fr. Pfaller: Man sollte versuchen, durch Abpumpen den Milchfluss an zuregen, denn viele Kinder lernen das Brustsaugen erst nach einigen Wochen. Sollte das Stillen trotzdem nicht möglich sein, so wählen Sie den Flaschensauger für Ihr Baby so klein wie nur möglich. Denn je “ähnlicher” der Sauger der Brustwarze ist, umso besser ist es für Ihr Kind. Aber auch wenn man mit der Flasche füttern muss, kann man mit dem Kind einen innigen Kontakt aufbauen. Nehmen Sie Ihr Kind abwechselnd in den rechten und in den linken Arm – wie beim Stillen -, weil dadurch die Reize und Empfindungen gleichmäßig einwirken können.

Hand in Hand: Was kann man bei Kindern mit Down Syndrom tun, damit sich Sprache und Sprachverständnis positiv entwickeln können?

Fr. Pfaller: Auf der Basis des Saugens, Kauens und Schluckens entwickeln sich die Sprechbewegungen. Je besser diese primären Funktionen ausgeprägt sind, umso erfolgreicher werden die “sekundären Funktionen” wie Stimme und Sprechen sein. Durch den intensiven Kontakt mit der Mutter beim Stillen wird der Blickkontakt gefördert. Dies wiederum fördert die Gesprächsbereitschaft des Babys. Ein Kind saugt ja nicht ununterbrochen. Es legt Pausen ein in denen die Mutter mit dem Kind spricht, es streichelt und zum Weitertrinken ermuntert. Trinkt das Kind wieder, so ist die Mutter ruhig. Durch das Sprechen, den Blickkontakt und die Stille entsteht das erste “richtige Gespräch” zwischen Mutter und Kind. Somit ist der erste Grundstein für eine sprachliche Kommunikation gelegt. Spracherwerb fängt damit an, dass das Baby angesprochen wird, dass mit ihm geplaudert und ihm etwas erzählt wird. So lernt das Kind, dass Sprache interessant ist und dass man damit etwas erreichen kann. Dies bedeutet, dass jeder Laut, den das Kind hervorbringt, von den Eltern mit viel Freude und Ausdauer wiederholt wird. Einen besonderen Stellenwert zur Förderung der Entwicklung nehmen Reime, Sprüche, Gedichte, Lieder und kleine Geschichten ein. Sie fördern das Sprachverständnis und dies ist die absolute Voraussetzung, um selbst aktiv Sprache gebrauchen zu können. Man muss zum Beispiel einen Apfel viele Male gesehen haben, ihn angegriffen haben – “begreifen” – ihn gerochen und gekostet haben und dazu immer wieder das Wort “Apfel” gehört haben, damit man den abstrakten Begriff Apfel verwenden kann. Es ist sehr wichtig, dass Kinder die Bedeutung von Wörtern immer an ganz konkreten Gegenständen lernen. Wenn das Kind den “Sprachcode” knacken kann, wenn es begreift, dass es mit Sprache etwas bewirkt, dann sind die Weichen für eine positivere weitere Sprachentwicklung gestellt.

Erfahrungsbericht einer Mutter

von Debi Mitchell, aus “Das Stillen eines Babys mit Down-Syndrom” von Teresa Board (siehe unten)

Als Aaron geboren wurde, wusste ich gleich, dass etwas nicht in Ordnung war. Er war nur wenige Minuten alt, aber irgendetwas schien nicht zu stimmen. Ich glaube, im Grunde wusste ich, dass er das Down-Syndrom hatte, aber mir fiel der Name dafür nicht ein. Das war die schlimmste Zeit für mich. Einige Stunden später, als die Ärzte uns sagten, was sie vermuteten, war ich wie betäubt. Wie konnte uns das passieren? Niemand in unserer Familie hatte je Probleme gehabt. Ich wusste nicht, wie man mit behinderten Menschen umgeht und nun hatte ich ein Baby, mit einer Behinderung!

Als wir am nächsten Tag Aaron aus dem Krankenhaus holten, fühlte ich mich in meiner Beziehung zu ihm besser. Er war Aaron, mein Kind. Ich war seine Mutter und ich würde das Beste daraus machen. Aber Aaron trank nur sehr schlecht an der Brust. Er war die ganze Zeit sehr schläfrig und wollte nicht an der Brust saugen. Wenn er es dann doch schließlich versuchte, schlief er nach einigen Minuten ein. Ich habe ihm buchstäblich meine Milch in den Mund geträufelt. In den ersten Tagen litt er unter Gelbsucht und es war sehr wichtig für ihn oft zu trinken. Häufig war ich es so leid, ständig zu versuchen ihn aufzuwecken und richtig anzulegen, so dass ich glücklich war, wenn er auch nur fünf Minuten trank.

Ich wusste, dass es allmählich besser werden würde. Aaron hatte große Schwierigkeiten, den Rhythmus des Saugens und Schluckens zu koordinieren. Er konnte zwar ansaugen, aber meistens war es so, als ob er nicht wüsste, wie er weitermachen sollte. Zeit und Hartnäckigkeit waren alles, was es brauchte. Nach drei Wochen hatte er es geschafft. Er trank gut und meine Milchproduktion kam in Gang.

Trotz dieses Fortschritts wuchs Aaron sehr langsam im Vergleich zu anderen Babys. Darüber machte ich mir nicht allzu große Sorgen, denn er war munter, glücklich und machte viel Windeln nass. Er benötigte allerdings zwei Monate, um sein Geburtsgewicht wieder zu erreichen. Das Stillen vereinfachte es sehr, ein Kind mit Down-Syndrom zu haben. Es half nicht nur Aaron physisch und emotional, sondern machte das Leben auch für mich angenehmer. Ich genieße es ihn zu halten und zu stillen und er gedeiht durch diese Bindung und den Kontakt. Nie brauche ich mir Gedanken darüber zu machen, dass er zu wenig Anregung bekommt. Er ist zufrieden in meinem Arm und lernt dort soviel über Sprache, Kommunikation und Sozialverhalten. Wir hatten keien Sorgen mit Krankheiten, weil die Muttermilch Aaron gesund bleiben ließ. Seine orale Entwicklung ist sehr gut, da Stillen die beste Übung ist, die es gibt! Das Stillen hat ihn mehr gefördert, als ich es mir hätte träumen lassen.

Aus Aaron ist viel mehr geworden, als ich aufgrund der stereotypen Beschreibungen von Down-Syndrom für möglich gehalten hätte. Mit 18 Monaten ist er ein Kleinkind, das viel läuft; eine lebhafte Persönlichkeit mit Sinn für Humor und großer Neugier auf alles in seiner Nähe. Es gibt aber auch Zeiten, in denen ich mich frage, was aus Aaron werden wird, wenn er älter ist. Wie wird er sich mit drei oder acht Jahren benehmen? Werde ich mich für ihn schämen oder verlegen sein? Dann stelle ich jedoch fest, dass ich genau das gleiche über seinen älteren Bruder gedacht habe. Ich weiß von keinem der beiden Kinder, was es in einigen Jahren machen wird.

Wenn ich an die ersten Wochen zurückdenke, frage ich mich, warum ich so hartnäckig darauf bestand, Aaron zu stillen. Ich glaube, ich träumte bereits von unserer jetzigen Stillbeziehung. Ich wolte nicht, dass Aaron verpassen sollte, was wir nun haben. Einiges in Aarons Leben ist durch das Down-Syndrom beeinflusst, aber wie jedes andere Kind gedeiht auch er durch die Liebe und Fürsorglichkeit des Stillens.

Babys mit Down-Syndrom stillen

Gerade für ein Baby mit Down-Syndrom ist das
Stillen sehr wichtig. In dieser Broschüre, zusammengestellt und
herausgegeben von der La Leche Liga, finden Sie die wichtigsten
Informationen und besondere Tipps rund um das Stillen eines Babys mit
Down-Syndrom. Erfahrungsberichte von Müttern, Bilder sowie hilfreiche
Adressen ergänzen alle Themen.

3. überarbeitete Auflage, Juni 2017, Format DIN A5, 78 Seiten

Hier geht es zur Seite der La Leche Liga Österreich