Macquarie-Programm

Lesen als Chance zur frühen Sprachanbahnung

Erfahrungsbericht von Nicolette Blok, Fachbereichsleiterin Beratung, Förderung, Therapie der LH Graz-Umgebung, Voitsberg und Mutter eines Sohnes mit Down-Syndrom

Mike wurde im Alter von 8 Jahren mit dem Macquarie-Leselernprogramm vertraut gemacht und zeigte einerseits enormes Interesse andererseits spürbare Erleichterung, da er nun “dazugehörte”, wie seine Schulfreunde auch lesen konnte und zunehmend besser verstanden wurde.

 

Frau Blok konnte beobachten, dass Mike die neugelesenen Wörter in seiner Spontansprache verwendete, diese deutlicher artikulierte und in der Anwendung der Grammatik sicherer wurde. Mike fällt nicht mehr in die Gruppe der “frühen Leser”, doch es gilt der Grundsatz, dass kein Zeitpunkt zu früh oder zu spät sein kann für den Beginn des Leselernprogramms. Frau Kain betonte, dass Eltern mit jungen Kindern (etwa ab 2,5 oder 3 Jahren) regelmäßig versuchen sollten, den Kindern Zuordnungsübungen anzubieten, wenn einige entscheidende Voraussetzungen erfüllt werden:

  • das Kind muss Freude an der gemeinsamen Aufgabe zeigen
  • eine Aufmerksamkeitsspanne von wenigen Minuten, in denen das Kind stillsitzt und sich konzentriert
  • ausreichendes Seh- und Hörvermögen
  • Sprachverständnis von einfachen Aufforderungen, wie “lege-zeig-gib mir”
  • Gegenstände als unterschiedlich bzw. gleich differenzieren und zuordnen können.

Bevor das Kind, aufgrund seiner oftmals verzögerten Fähigkeit, sich sprachlich auszudrücken, Frustrationsverhalten zeigt, sollte es im frühen Lesenlernen ein Ventil für seine Kommunikation erhalten.

 

Ehe Sie nun die fünf Punkte des Macquarie Leselernprogramms kennenlernen, sollten Sie noch die folgenden wesentlichen didaktischen Grundsätze beachten:

  • Bemühen Sie sich um Blickkontakt zum Kind, dies hilft ihm, bei der Sache zu bleiben, und geben Sie Ihrem Kind freundliche, klare aber kurze Anweisungen.
  • Helfen Sie selbst aktiv mit, Fehler des Kindes zu vermeiden, indem Sie ev. die Hand des Kindes zum richtigen Kärtchen führen oder mit einem kleinen Hinweis das Kind zur richtigen Lösung lotsen. Das “Trial-and-error-learning” (Versuchs- und Irrtumslernen) könnte ein Kind mit Down-Syndrom zu stark verwirren, so dass das Korrigieren der eigenen Leistung schwierig wird.
  • Loben Sie Ihr Kind häufig, bestätigen und bestärken Sie seine Leistungen und freuen Sie sich gemeinsam mit ihm am Erfolg.
  • Entdecken Sie immer wieder gemeinsam mit Ihrem Kind neue Spiele, die Spaß machen und die Motivation am Lesenlernen – und dadurch auch am Sprechenlernen erhalten.

5 Stufen des Leselernprogramms:

1. Bild-Lotto-Programm (z.B. Bambino-Lotto von Ravensburger)

Aufforderungen an das Kind:

  • Lege das Bild auf das Gleiche. (vorerst ohne Benennung des Gegenstandes)
  • Lege die z.B. Sonne auf die Sonne.
  • Zeige mir/ Gib mir die Sonne.

2. Wort-Lotto-Programm

 

Auf dieser Stufe wird das abstrakte Unterscheiden wichtig.

  • Lege das auf das Gleiche.
  • Lege “in” auf “in”, Zeige mir/ Gib mir “in”.

3. Individuelles Leseprogramm:

Verwenden Sie hier die Wörter aus dem Lebensbereich Ihres Kindes (Namen, Spielsachen, Tiere, Nahrungsmittel u.v.m.). Die Wörter sollten im Vierer- bzw. Sechserblock angeboten werden und ausgewechselt werden, wenn Ihr Kind sie sicher beherrscht, jedoch bevor sie es langweilen. Bitte verwenden Sie auch hier die drei Anweisungen, die in den Schritten 1 und 2 beschrieben werden.

 

4. Strukturiertes Leseprogramm:

Mit den bereits gelernten Wörtern können nun kleine Spiele, wie Memory, Domino, Angelspiel oder verschiedene Würfelspiele gespielt werden, das Kind wiederholt so immer wieder die bekannten Wörter und festigt sie auf lustbetonte Weise. Lassen Sie sich gemeinsam mit Ihrem Kind immer wieder neue Spielvarianten einfallen, damit der Ehrgeiz und die Freude bewahrt bleiben. Mike fragt seine Mama häufig: “Spielen wir lesen?”

5. Buchstaben-Programm:

Machen Sie Ihr Kind wieder durch die bekannten Aufforderungen mit den Buchstaben vertraut.

  • Lege das auf das Gleiche.
  • Das hier ist ein E. Lege das E auf das E.
  • Zeige mir/ Gib mir das E.

Das Kind erkennt allmählich die gleichen Anfangsbuchstaben unterschiedlicher Wörter wieder und setzt so Schritt um Schritt in seinem Leselernprozess. Vorsicht ist geboten, bei Puzzle- und Zusammensetzspielen, die einem Anfangslaut nur einen Begriff zuordnen: z.B. zum A den Apfel, zum B den Ball usw. Dieses System verleitet das Kind dazu, sobald es in einem Wort den Anfangsbuchstaben A erkennt, sofort Apfel zu sagen, ohne die Aufmerksamkeit auf das gesamte Wort zu lenken.

In je mehr unterschiedlichen Darbietungsformen und Spielvarianten dem Kind das Konstrukt “Lesen” angeboten wird, desto größer ist die Erfolgschance! Sollte Ihr Kind bei seinen ersten Leseversuchen noch ablehnend oder schlechtgelaunt reagieren, lassen Sie sich nicht zu schnell entmutigen: versuchen Sie es einfach nach einiger Zeit (z.B. nach einem Monat) wieder, vielleicht ist genau dann der richtige Zeitpunkt für Ihr Kind.